Mit attraktiven Benefits können Unternehmen bei Beschäftigten und Investoren punkten. Dieses Potenzial wird jedoch noch zu wenig genutzt, weil dem Benefits-Management häufig die strategische Linie fehlt. So die Erkenntnis einer aktuellen Studie der hkp///group. Ein Interview mit den Studienautoren Sasa Basta, Johannes Brinkkötter und Petra Knab-Hägele.
Comp & Ben: Welches operative und strategische Potenzial steckt im Thema Benefits?
Sasa Basta: Benefits sind nicht nur ein Mittel zur Mitarbeiterbindung und -gewinnung, sondern auch ein strategisches Instrument zur Förderung der Unternehmenskultur und zur Differenzierung auf dem Arbeitsmarkt. Operativ können Benefits die Produktivität und das Engagement von Mitarbeitenden steigern, indem sie ein attraktives Arbeitsumfeld schaffen. Strategisch können Unternehmen mit gezielten Benefits-Angeboten spezifische Unternehmensziele wie die Förderung von Diversity, Nachhaltigkeit oder Innovation unterstützen.
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Dieser Beitrag ist zuerst im Vergütungsmagazin Comp & Ben erschienen. Das Onlinemagazin berichtet in sechs Ausgaben pro Jahr über aktuelle Themen rund um Compensation & Benefits und betriebliche Altersversorgung. Das Magazin, in dem dieser Beitrag erschienen ist, können Siehierherunterladen.
Wie schlagen sich Trends wie Globalisierung, Individualisierung und Flexibilisierung in der aktuellen Praxis der Benefits nieder?
Johannes Brinkkötter: Individualisierung und Flexibilisierung führen dazu, dass Beschäftigte zunehmend maßgeschneiderte Benefits erwarten, die ihren individuellen Lebensstilen und Bedürfnissen entsprechen. Dem wollten oder konnten viele Unternehmen lange Zeit nicht gerecht werden. Es galt vielfach der traditionelle Leitspruch „Benefits are local“, und die Studie zeigt: Er gilt zum Teil auch weiterhin. Allerdings sehen wir gerade bei Großunternehmen eine Entwicklung hin zur Implementierung durchgehender Konzernstandards.
Sasa Basta: Gut jedes zweite von uns befragte Großunternehmen hat eine Form von globalen Konzernstandards gesetzt – insgesamt jedoch liegt die Quote über alle Unternehmen hinweg bei 36 Prozent. Die Ausprägungen sind jedoch sehr unterschiedlich.
Können Sie ein Beispiel für globale Konzernstandards nennen?
Sasa Basta: Am häufigsten sehen wir globale Konzernstandards beim Thema bezahlter Urlaub, und dies für diverse Anlässe. Beispielsweise sagt Siemens Energy Eltern Freistellungen nach der Geburt eines Kindes seit Neuestem weltweit zu und geht damit in vielen Ländern über lokale gesetzliche Mindeststandards hinaus. Insgesamt sind das aber noch zaghafte erste Ansätze, globale Konzernstandards für Beschäftigungsbedingungen zu definieren. Die meisten Unternehmen beschränken sich bislang auf die Aussage, lokale gesetzliche Anforderungen einzuhalten.
Sie haben gezielt nach Innovationen bei Benefits gefragt. Welche lassen sich erkennen?
Petra Knab-Hägele: Innovationen sind ein wichtiges Thema, gerade beim Blick auf das Differenzierungspotenzial von Unternehmen. Und sie sind nicht zuletzt aufgrund des technologischen Fortschritts schneller, kostengünstiger und zielgruppenspezifischer umzusetzen. Immer mehr Unternehmen investieren hier in eigene Lösungen oder integrieren nicht selten kreative Konzepte und Applikationen von Start-ups. Zum Beispiel sehen wir verstärkt Angebote zur mentalen Gesundheit, die weit über traditionelle Ansätze hinausgehen. So bieten Arbeitgeber über entsprechende digitale Applikationen umfassende Möglichkeiten zu Information, Prävention, Selbsthilfe sowie zur Konsultation von externen Experten. Auch Angebote, die Mitarbeitende in ihrem Kinderwunsch unterstützen, sogenannte Fertility Benefits, sind eine solche Innovation. Hierzu zählt etwa die Übernahme von Behandlungskosten oder Informationen zu Behandlungsmethoden. In den USA stehen solche Leistungen hoch im Kurs. In Deutschland agiert Merck als Vorreiter in diesem Bereich.
Machen solche Angebote wirklich den Unterschied?
Johannes Brinkkötter: Derartige Angebote richten sich zwar an überschaubare Zielgruppen, sie tragen aber dennoch enorm zum Arbeitgeberimage bei. Fertilitätsbehandlungen werden beispielsweise immer häufiger in Branchen angeboten, die global um hochqualifizierte Fachkräfte konkurrieren. Diese Benefits spiegeln einen breiten Ansatz wider, der sowohl soziale Nachhaltigkeit als auch Risikomanagement berücksichtigt, indem er Mitarbeitenden Unterstützung in allen Lebensphasen bietet.
Sasa Basta: Gleiches gilt auch beim Thema der mentalen Gesundheit: Wenn wichtige Arbeitskräfte wegen psychischer Erkrankungen ausfallen, handelt es sich in der Regel um längere Auszeiten mit ungewissem Ausgang – ein Risiko, das durch das Investment in Plattformen zur Stärkung mentaler Gesundheit reduziert werden kann.
Welche Rolle spielt die Governance von Nebenleistungen im Management?
Johannes Brinkkötter: Die Governance von Benefits stellt eine Herausforderung dar, da global agierende Unternehmen ein Gleichgewicht zwischen globalen Standards und lokalen Anpassungen sowie rechtlichen Anforderungen finden müssen. Die meisten Unternehmen bewältigen diesen Spagat mit internen Ressourcen. Wir sprechen hier nicht über Trivialitäten. Während globale Richtlinien für Konsistenz und Fairness sorgen, müssen lokale Anpassungen die kulturellen und rechtlichen Besonderheiten der jeweiligen Länder berücksichtigen. Dahinter stecken substanzielle Investments in Zeit, Geld und sonstige Ressourcen. Das macht kein Unternehmen dieser Welt so nebenbei, oder wenn, dann wird es nicht gut. Daher braucht es eine strategische Entscheidung und die Rückendeckung des Topmanagements.
Was ist aus den traditionellen Cafeteriamodellen geworden?
Sasa Basta: Laut Studie bieten derzeit weniger als zehn Prozent der Unternehmen teilflexible Benefits oder ein Cafeteriasystem an. Das ist keine wirkliche Neuigkeit, aber die Hartnäckigkeit, mit der sich dieser Zustand hält, ist verblüffend. Denn ein Großteil der Unternehmen erachtet zielgruppenspezifische Benefits-Angebote als wichtig für die Gewinnung und Bindung von Talenten.
Was sind die Gründe für die mangelnde Flexibilität?
Johannes Brinkkötter: In erster Linie sind es administrative Hürden, die der Einführung eines Flex-Benefit-Konzepts, wie es insbesondere in Großbritannien Standard ist, entgegenstehen. Neue digitale Lösungen versprechen hier jedoch Abhilfe. Sie unterstützen die individuelle Auswahl automatisiert und können der Entgeltabrechnung die korrekten Steuer- und Sozialversicherungsinformationen zur Verfügung stellen.
Gibt es Unterschiede in der Praxis zum Beispiel zwischen Banken und Industrieunternehmen oder börsennotierten und Mittelstandsfirmen?
Petra Knab-Hägele: Ja, es gibt durchaus Unterschiede. Zum Beispiel ist die erweiterte Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall in der Finanzdienstleistungsbranche ein Standard mit 96 Prozent. Im übrigen Markt bieten nur drei von vier Unternehmen diesen Benefit an. Bei Dienstwagen ist es genau umgekehrt: Für 96 Prozent der Großunternehmen ist er Standard, aber nur bei drei Viertel der Finanzdienstleister. Sechs von zehn Unternehmen im Mittelstand bieten Beschäftigten vergünstigtes oder kostenloses Laden von E-Autos an, bei Großunternehmen sind es vier von zehn Unternehmen.
Info
Über die Studie
Die vorliegende hkp///group-Studie stützt sich auf eine Befragung per Online-Fragebogen aus dem Frühjahr 2024. Insgesamt haben 71 Unternehmen unterschiedlicher Größe und Geschäftsmodelle teilgenommen. Großunternehmen mit mehr als 25.000 Mitarbeitern weltweit sind mit einem Anteil von rund 34 Prozent vertreten.
Welches Fazit ziehen Sie aus der Studie?
Petra Knab-Hägele: Unternehmen blicken immer häufiger auf Benefits als strategisch relevante Arbeitgeberleistungen mit einem materiellen Return on Investment. In ihrer Argumentation spannen sie dabei den Bogen von unternehmerischen Zielen und den entsprechenden personalpolitischen Anforderungen bis hin zu den Benefits, die einen plausiblen Wertbeitrag leisten. Das wird von Mitarbeitern und Investoren goutiert und letztlich auch Anforderungen an nachhaltiges Wirtschaften gerecht.
Johannes Brinkkötter: Aber noch sind Unternehmen nur in begrenztem Umfang bereit, konzernweite Standards bei Benefits zu setzen. Wir sehen erste Beispiele dafür, aber nach wie vor gilt das Primat des lokalen Managementansatzes mit den entsprechenden Limitierungen bei der strategischen Positionierung als Arbeitgebermarke. Angesichts europäischer ESG-Reporting-Anforderungen und geschärfter Erwartungen von Investoren auch an soziale Nachhaltigkeit haben Unternehmen hier eine Chance, sich positiv zu differenzieren.
Vielen Dank für das Gespräch!
Christiane Siemann
Christiane Siemann ist freie Wirtschaftsjournalistin und insbesondere spezialisiert auf die Themen Comp & Ben, bAV, Arbeitsrecht, Arbeitsmarktpolitik und Personalentwicklung/Karriere. Sie begleitet einige Round-Table-Gespräche der Personalwirtschaft.